Schön exzentrisch

„Ursula. Das bin ich. Na und?“ nennt das Museum Ludwig seine Werkschau von Ursula Schultze-Bluhm, die lange im Schatten ihres Mannes Bernhard Schultze stand. Die exzentrische und eigenständige Kölnerin gilt heute als eine der bedeutendsten deutschen Künstlerinnen der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts.

Ursula, ist 1921 in Mittenwalde geboren und 1999 in Köln verstorben. Mit der Ausstellung Ursula – Das bin Ich. Na und? widmet ihr das Museum Ludwig nach über 30 Jahren die erste umfassende Museumsausstellung und ermöglicht damit eine Neubetrachtung ihrer Arbeit. Gezeigt werden 236 Arbeiten, davon stammen 44 aus der Sammlung des Museum Ludwig.

Ursulas Leben und Werk bieten eine alternative Erzählung künstlerischer Unabhängigkeit. Die These, dass Surrealismus kein Stil sei, sondern eine Geisteshaltung, zeigt sich anschaulich in ihren Arbeiten. In ihnen untergräbt sie die Realität und findet das Unheimliche im Alltäglichen. Sie fordert Autoritäten der Gesellschaft und Kunst heraus, indem sie neue Welten ersinnt, in denen alte Hierarchien über Bord geworfen werden und neue Lebensweisen vorstellbar sind. Diese utopische Vorstellungskraft teilt Ursula mit Künstlerinnen wie Leonora Carrington, Leonor Fini, Dorothea Tanning und Unica Zürn.

Ursulas Werke verweigern sich in ihrem Wesen der eindeutigen Kategorisierung. Begriffe wie naive Malerei, Surrealismus oder Individuelle Mythologie streifen bestenfalls einzelne Aspekte ihrer eigenwilligen Bilderfindungen, die stets eine intensive sinnliche Erfahrung vermitteln. Bereits 1954 integriert Jean Dubuffet Werke von ihr in sein Musée de l’Art Brut. Wie auch André Breton schätzte Dubuffet den unkonventionellen Erzählstil von Ursulas Texten und Bildern, die – zumindest auf den ersten Blick – außerhalb der Zeit zu stehen scheinen. Häufig weisen sie mythologische Bezüge auf, spiegeln dabei jedoch zumeist eigene Befindlichkeiten, Ängste und Obsessionen. „Ich zwinge meine Visionen der Realität auf – ich bin ganz artifiziell“, charakterisierte Ursula selbst ihre ungewöhnlichen Parallelwelten. Hier existieren extravagante Gestalten, oft ist das Heimliche und Unheimliche spürbar. Schönheit und Vergänglichkeit, das Feenhafte und das Monströse gedeihen in unmittelbarer Nachbarschaft. Ein bezeichnendes Leitmotiv Ursulas war Pandora, jene in der griechischen Mythologie aus Lehm geschaffene Frau, in deren Geschichte schlimmste Übel und vorzügliche Gaben untrennbar verwoben sind. Häufig bevölkern fantastische Mischwesen Ursulas Szenerien, allenthalben ist ihre Faszination für Transformation greifbar, hinterfragen ihre Arbeiten eingefahrene Dualismen wie Frau/Mann oder Mensch/Natur.

Ursulas faszinierendes und selbstbewusstes Werk einer jungen Generation von Museumsbesucher*innen zu erschließen, ist Anliegen der Überblicksausstellung im Museum Ludwig. Sie zeigt, dass Ursulas Arbeiten gerade in ihrer Individualität vielfach grundlegende und gegenwärtige Themen berühren, sei es weibliche Selbstbestimmung, das Infrage stellen fester Geschlechtsidentitäten oder eine Sicht auf Welt, in der alles mit allem verbunden ist und sich gegenseitig bedingt.

Zur Ausstellung ist der Katalog Ursula – Das bin ich. Na und?   erschienen, herausgegeben von Stephan Diederich, mit Textbeiträgen von Patricia Allmer, Stephan Diederich, Yilmaz Dziewior, Helena Kuhlmann, Chus Martínez, Elizabeth A. Povinelli, deutsch/englisch, 22 x 27 cm, ca. 390 Seiten, ca. 260 Farbabbildungen, Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, Köln, ISBN 978-3-7533- 0405-2, 38 Euro. (ht).

Ursula? Das bin ja ich!“

 

Stadtansicht von Köln. Beide Fotos: Hedwig Thielen.