Rombachs Finanztipps:

Und ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode: Über die erstaunliche Wiedergeburt von Zertifikaten

Welche Wertpapiere wurden in Deutschland im Jahre 2007 am meisten verkauft? Richtig, Zertifikate. Mit einem Volumen von 135 Milliarden Euro zählten Zertifikate zu den Kassenschlagern vor allem an den Banktresen von Volksbanken und Sparkassen.

Das ging aber nur so lange gut bis zum berüchtigten Lehman Crash. Der damalige Zertifikate-König „Lehmann Brothers“ wurde zahlungsunfähig. Auf einen Schlag lernten Millionen von Bankkunden das sogenannte „Emittentenrisiko“ kennen, will heißen, der Totalverlust dieser Papiere war eingetreten, und zwar in voller Breite.

Nichts ahnende Sparer, vor allem die sogenannten kleinen Leute, wurden damals um ihr Geld gebracht und ich hätte geschworen, dass diese Produktkategorie niemals mehr reüssieren könnte. Wie soll man denn in einem vernünftigen Marketing mit so einem Katastrophenpapier gute Werbung machen können?

So kann man sich irren. Zeit heilt offenbar viele Wunden, auch die im Denken, und so gibt es die sehr erstaunliche Tatsache zu berichten, dass in diesem Jahr der Absatz von Zertifikaten wieder die Marke von mehr als 100 Milliarden Euro überschritten hat.

Getragen wird dieses ganz erstaunliche Comeback von Zertifikaten vor allem vom Sparkassensektor. Nehmen wir einmal die DEKA, die bisher eher als Fondsvertriebsinstrument der Sparkassen auffällig wurde. Die DEKA verkaufte im vergangenen Jahr Investmentfonds für „nur“ 5,7 Milliarden Euro, Zertifikate hingegen für fulminante 17,3 Milliarden Euro.  Vorbei anscheinend die Zeiten, in denen Anlageberater Zertifikate nicht mal mehr mit spitzen Fingern anfassen wollten.

Blumige Namen und attraktive Gestaltung

Doch wie schafft man es bloß, einen Markt, der komplett zerschossen war, wieder auf die Erfolgsspur zu bringen? Ganz einfach: Bloß nicht mehr „Zertifikate“, sondern „Strukturierte Anleihen“ schreiben und das Produkt dafür mit einem blumigen Namen versehen, ach und ganz wichtig, einfach und attraktiv ausgestalten.

Just bis heute läuft zum Beispiel die Zeichnung der LBBW Anleihe mit der Wertpapierkennnummer LB4466. Dieses Papier hat eine Laufzeit bis kurz vor Weihachten und eine Verzinsung von 3,15 Prozent per annum. Der Zins ist festgeschrieben und das ist ganz nach dem Geschmack von Anlegern, die keine Lust auf Aktien haben und dafür eine feste Verzinsung wünschen. Apropos: wer schnell rechnen kann, merkt schnell, aus 3,15 Prozent aufs Jahr gerechnet wird schnell eine „echte“ Verzinsung von unter 1,6 Prozent. Aber ist das schon eine Verhohnepipelung des Anlegers oder noch ein Marketinggag? Ich wäre mehr für den Terminus „exzellent vergackeiert“.

Die (echte) Krux: Nur im Kleingedruckten erfährt der Kunde, dass es sich bei dem Produkt nicht um ein geschütztes Sondervermögen handelt (wie das bei Fonds üblich und wichtig ist), sondern nur geliehenes Geld (vom Kunden) an die LBBW ist, das im Falle einer Insolvenz weg ist. Wie ehemals bei Lehmann…

Dass der Kunde einfache Produkte sucht, ist verständlich, nicht aber, dass er in meinen Augen kaum auf die Risiken hingewiesen wird. Tages- und Festgelder sind meiner Meinung nach klar die bessere Alternative. Schlicht, weil sie viel besser geschützt sind. Aber dafür gibt es beim Emittenten eben auch keine Provisionen, die es einzusacken gilt.

Ach, übrigens, der Berufsverband der Zertifikate-Verkäufer ist der BSW (Bundesverband Strukturierte Wertpapiere), nicht zu verwechseln mit dem politischen Bündnis BSW, obwohl beider Gründungsdaten nur zwei Wochen voneinander entfernt liegen. Die einen verkaufen eben blumig benamste Wertpapiere, die anderen Vernunft und Gerechtigkeit. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Und zum Schmunzeln (heute zum Nachdenken) noch mein „Knallbonbon der Woche“

Botswana will Deutschland 20.000 Elefanten schenken. Hat irgendwas mit dem – geplanten – Verbieten von Jagdtrophäen zu tun. Genauer, deren Einfuhr nach Deutschland.

Für 2019 bis 2023 waren das gerade mal 21 Jagdtrophäen, sagt die Statistik, der ich mal glauben will.

Einem geschenkten Gaul schaut man nichts ins Maul. Einem geschenkten Elefanten sehr wohl. Zumal es so wahnsinnig viele sein sollen, um die es hier geht. Töröööö.

 

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Reinhold Rombach
„Börsebius“

Unser Gastkommentator Reinhold Rombach ist einer der bekanntesten Börsenexperten Deutschlands und lebt schon lange in Rodenkirchen. Er beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit börsennotierten Gesellschaften, mit Aktien und Fonds, analysiert ihre Stärken und Schwächen. Seine Meinung über Geld&Börsen veröffentlichte er früher als Kolumnist in der Zeit (aber auch in der Wirtschaftswoche und der Süddeutschen Zeitung) und mehr als ein Vierteljahrhundert im Deutschen Ärzteblatt als „Börsebius“. Seine Fans nennen ihn aber auch den „Kostolany vom Rhein“ oder das „Kölsche Orakel“.  Rombach´s spannende wöchentliche Kolumnen und eine Aktien-TopTen-Masterliste erscheinen im Web unter www.derboersebius.de