Rombachs Finanztipps
Stopp-Loss-Orders: Verkappter Blödsinn
Letzten Dienstag hatte ich ein Tennis-Meisterschaftsspiel. Natürlich wurde ich dann auch auf die aktuelle Börsensituation angesprochen. Einer meiner Mannschaftskameraden, im Leben gestanden und erfolgreich, meinte gestern ganz stolz, er habe „aufgrund der aktuellen Aktienlage“ überall Stopp-Loss-Orders gesetzt. Und nachdem mir schon letzte Woche ein Börsebius Leser am Telefon etwas ähnliches sage, war es denn auch höchste Zeit, mich des Themas (wieder mal) anzunehmen.
Anscheinend besteht hier gewaltiger Nachbesserungsbedarf, denn meine Meinung zu Stopp-Loss-Orders ist, daß es sich hier um ziemlichen Müll handelt, auf den selbst ansonsten schlaue Menschen reinfallen. Warum bloß?
Deutschlands Börsianer lieben Stopp-Loss-Orders. Sie also auch? Wenn ich mir die Lobhudeleien von einigen Experten zu diesem Thema genauer anschaue, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß es sich fast um einen Religionsersatz handele oder zumindest um ein fulminantes Nervenberuhigungsinstrumentarium.
Also: Immer wieder höre ich von Anlegern, „da setze ich einfach eine Stopp-Loss-Order und alles ist gut“. Dann erschrecke ich regelmäßig zutiefst und frage mich, warum dieser Anleger eigentlich glaubt, daß ihn eine solche Weisung vor Ärgerem schütze. Sie tut es nämlich genau nicht und ich will gerne versuchen, Ihnen den Glauben an deren wundersame Wirkung gründlich zu vermiesen.
Zunächst einmal frage ich mich, wie kommt die Stopp-Loss-Order zu ihrem guten Ruf? Ich glaube, daran sind Heerscharen von Bankberatern schuld, die ihren Kunden suggerieren, der Berater mache sich Sorgen um Wohl und Wehe des Kunden. „Sie können doch Ihr Depot ganz gut absichern, wenn Sie ein Stopp-Loss setzen“. Der Kunde mag sich dann vielleicht gut aufgehoben und geschmeichelt fühlen, sicherer vielleicht auch.
Im Internet und in den sozialen Medien wird diese Form der Wertpapierorder sowieso als Ausbund von Weisheit gefeiert, zumindest als das Nonplusultra gehäuften Börsenwissens. Und dennoch ist eine Stopp-Loss-Order (oder Stopp-Loss-Limit) der blanke Unsinn.
Stopp-Loss-Orders gaukeln Ihnen eine vermeintliche Sicherheit vor, wo gar keine ist. Denn beim Erreichen der gesetzten Marke wird eine Aktie verkauft, ob das Sinn macht oder nicht, ist völlig egal. Welcher Stopp-Kurs gesetzt wird, ist völlig willkürlich und durch nichts zu begründen. Wo ist der richtige Stopp-Kurs, wenn mein Wert momentan bei 18 Euro steht? Bei 15, 14 oder 12? Keiner weiß es. Gut, nehmen wir an, Sie haben am Freitag einen Stopp bei 12 gesetzt. Am Montag startet die Börse schwach, weil irgendwo in der Welt etwas Schlimmes passiert ist und der Kurs touchiert die Marke von 12 Euro und erholt sich dann wieder auf 15 Euro. Ihr Problem: Der Wert ist weg, endgültig, bei 12 Euro verramscht. Echt ein tolles Geschäft.
Ein aktuelles Beispiel gefällig?
Am 11.11. 2021 beginnt im Rheinland der Karneval. Und Bayer liegt ja nun mal hier um die Ecke. Da denkt sich ein Aktionär, seine Bayer Aktie liegt gerade bei 50,79 Euro und man weiß ja nie wie es weitergeht mit dem Monsanto Glyphosat Debakel von Bayer.
Also setzt der fröhliche Karnevalist ein Stopp-Loss-Limit von 44,44 Euro. Ist auch irgendwie lustig und passt sowohl zum Karneval als auch zu seinem Sicherheitsgefühl, ist ja weit genug weg vom aktuellen Kurs.
Am 03.12. 2021 ist es dann soweit. Die Aktie beendet den Börsentag mit 44,25 Euro und damit flutschte die Aktie aus seinem Depot. Abgerechnet zu exakt 44,44 Euro. Die Stopp-Loss-Order wurde also genau ausgeführt. Die Bayer waren somit weg. Unwiederbringlich verkauft.
Was soll ich sagen? Nur ein oder zwei Tage später drehte bei Bayer die Börsennotiz wieder in den positiven Bereich, um in der Spitze auf über 67 Euro zu steigen. Gestern notierten Bayer immer noch über der Marke von 60 Euro und ich bin sicher, der vermeintlich schlaue Stopp-Losser beißt sich sonst wo hin.
Die Stopp-Loss-Order ist also genauso widersinnig wie der – zuweilen tiefverwurzelte Glaube – eine „ bestens“-Verkaufsorder führe zum bestmöglichen Verkaufserlös. Das ist mitnichten so. Im Gegenteil, sie führt im Ergebnis zum Schlechtesten aller möglichen Kurse. Also, stoppt Stopp-Loss-Orders. Quatsch bleibt Quatsch, so gut er sich auch anhören mag.
Wenn ich kein gutes Gefühl mehr habe für meine Aktien, dann gibt es nur eine Wahl: Auf der Stelle verkaufen.
Und zum Schmunzeln noch mein „Knallbonbon der Woche“
Die Franzosen haben es nicht einfach. Auch in unserem Nachbarland steigen die Preise rasant. Überraschend dabei, daß zu den Spitzenreitern „Moutarde de Dijon“ zählt.
Der Dijon Senf ist aus der französischen Küche nicht wegzudenken, ist er doch Hauptbestandteil der Vinaigrette und der Mayonnaise.
Was kaum ein Franzose weiß: Der Moutarde de Dijon wird schon lange in Kanada produziert…
Das ist nicht ganz so schlimm wie die Tatsache, daß schon seit einem Jahr in Russland die Marke „Champagner“ nur noch für russische Produkte verwendet werden darf. Der heißt jetzt sprachlich hochelegant „Champanskoje“.
Wie gesagt, die Franzosen haben es echt nicht einfach. Vive, trotzdem.
Liebe Abonnenten des Bilderbogen: Falls Sie auch eine Frage rund ums Geld haben, immer zu. Schreiben Sie an rombach@derboersebius.de
Ich freue mich.
Bleiben Sie mir gewogen, ich bin Ihnen ebenso verbunden. Über Anregungen für Themenvorschläge freue ich mich sehr.
Stets, Ihr
Reinhold Rombach
„Börsebius“
Unser Gastkommentator Reinhold Rombach ist einer der bekanntesten Börsenexperten Deutschlands und lebt schon lange in Rodenkirchen. Er beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit börsennotierten Gesellschaften, mit Aktien und Fonds, analysiert ihre Stärken und Schwächen. Seine Meinung über Geld&Börsen veröffentlichte er früher als Kolumnist in der Zeit (aber auch in der Wirtschaftswoche und der Süddeutschen Zeitung) und mehr als ein Vierteljahrhundert im Deutschen Ärzteblatt als „Börsebius“. Seine Fans nennen ihn aber auch den „Kostolany vom Rhein“ oder das „Kölsche Orakel“. Rombach´s spannende wöchentliche Kolumnen und eine Aktien-TopTen-Masterliste erscheinen im Web unter www.derboersebius.de