Rombachs Finanztipps:

Der Gegenspieler des Spekulanten ist (fast) immer auf der sicheren Seite, oder wie man auf defensive Weise sechs Prozent Rendite p.a. und mehr erzielen kann. Nur ein Traum oder real?

Ich bin mittlerweile mehr als ein Vierteljahrhundert in den Börsensälen dieser Welt unterwegs und natürlich auch als Kolumnist „Börsebius“. Oft genug habe ich meinen Lesern ans Herz gelegt, auf großspurige Renditeversprechungen mit dem gehörigen Misstrauen zu reagieren und stets höllisch aufzupassen. Mein Credo all die Jahre lautete: „Wer Ihnen mehr als fünf Prozent Rendite pro Jahr verspricht, ist entweder ein Scharlatan oder hat einen an der Klatsche.“

So weit, so richtig. Allerdings kann es sehr wohl Börsenphasen geben, in denen mit dem entsprechenden Knowhow sechs Prozent und mehr Rendite möglich sind und das auch noch mit relativ geringem Risiko. Wie kann das gehen nach all der warnenden Vorrede?

Die Covered Call Writing Strategie

Um das Geheimnis aufzuklären, bedarf es ein wenig der Erläuterung. Es gibt an der Börse eine Unzahl wilder Zocker, die mit Kaufoptionen (so genannten Calls) meinen, irre Gewinne erzielen zu können. Schön (für den Spekulanten), dass das auch immer wieder mal klappt, aber die Regel ist doch eher, dass etwa acht von zehn Calls schiefgehen, also nicht ausgeübt werden. Der immer wiederkehrende Reiz für den Spekulanten liegt trotzdem darin, mit geringem Kapitaleinsatz sehr hohe Gewinne zu erzielen.

Auf der Gegenseite des Spekulanten sitzt dagegen der sogenannte „Stillhalter in Aktien“. Gewissermaßen in aller Ruhe. Der hat die Aktien sowieso (streicht nebenbei noch Dividenden ein) und verdient sich erkleckliche Zusatzerträge damit, indem er eben dem Spekulanten für eine gewisse Zeit anbietet, seine Aktien zu einem bestimmten Kurs zu erwerben. Für dieses Recht streicht der Stillhalter in jedem Fall eine Prämie ein.

Um das besser zu verstehen, hilft hoffentlich folgendes Exempel:

Ich habe eine Aktie im Bestand, die derzeit einen Kurs von 100 Euro hat. Nun biete ich die Aktie einem Spekulanten zum Kauf an und zwar für 105 Euro. Der Spekulant kauft also einen Call, der ihn berechtigt, von mir die Aktie für 105 Euro (Strike Price) zu beziehen (wenn er will). Dieses Recht hat eine Laufzeit von – sagen wir mal – einem Monat. Für dieses Recht zahlt er mir eine Prämie von einem Euro.

Den Euro bekomme ich also auf jeden Fall. Wenn die Aktie einen Monat später über 105 Euro steigt, wird der Spekulant die Aktie „abrufen“. Wenn die Aktie unter 105 Euro bleibt, wird er das nicht tun. Dann kann ich also erneut in der Aktie zum gleichen Strike Price stillhalten und wieder einen Euro pro Monat kassieren. Und so weiter und so weiter.  Monat für Monat.

Wenn das nur ein Jahr lang „klappt“, also ohne, dass die Aktie abgerufen wird, wären das zwölf Euro Zusatzertrag. Der schnelle Rechner bemerkt verblüfft, dass in diesem Fall die Rendite weit über sechs Prozent liegt.  Das wird freilich nicht immer klappen und sollte auch nur den frappierenden Effekt zeigen. Aber eine Rendite von sechs Prozent p.a. und mehr müsste eigentlich bei Stillhaltegeschäften durchaus vorstellbar und realisierbar sein.

Das Schlaraffenland für ordentliche Zusatzgewinne scheint es also auch an der Börse zu geben. Allerdings nur für Stillhalter und nur in bestimmten Börsenphasen längerer Seitwärtsbewegungen. So viel Ehrlichkeit muss schon sein.

Ob diese Phase jetzt ansteht, lässt sich natürlich immer erst im Nachhinein feststellen. Ich meine allerdings schon, dass wir in diesen Bereich oszillierender Aktienkurse langsam hineingeraten. Auch das ist eine gute Zeit stillzuhalten, denn es würden dann nur wenige Stillhaltepositionen vom Spekulanten ausgeübt.

Noch besser aber: vielleicht tut sich auch wochenlang gar nichts bis wenig. Und das ist genau das Paradies für Stillhalter. Der Stillhalter verkauft jetzt Calls ohne jedes Risiko, dass später Aktien abgerufen werden. Das ist dann die Zeit starker Zusatzgewinne.

Und wenn es „nur“ sechs Prozent per annum sind, gibt es auch nichts zu meckern. Im Gegenteil.  Vor allem, wenn die anderen Marktteilnehmer in die berühmte Röhre schauen. Das Schlaraffenland für Anleger, es ist so nah.

Und zum Schmunzeln (oder zum Nachdenken) noch mein „Knallbonbon der Woche“

Als Briefe noch mit der Postkutsche transportiert wurden, dauerte es manchmal vier Tage, bis die Zeilen ihren Empfänger erreichten.

„Zurück zu den Wurzeln“ ist anscheinend das neue Motto von Tobias Meyer, dem Chef der Deutschen Post.

Ab 2025 dürfen sich die Gelben mehr Zeit lassen. Bis zu vier Tagen darf es dann dauern, bis ein Brief von A nach B kommt. Bundestag und Bundesrat haben dieser technischen Revolution bereits zugestimmt.

Ich finde, das alles macht Sinn. Wenn schon die Bahn zu mehr als 50 Prozent nicht pünktlich ist, dann muss die Post dem nicht nachstehen.

Um das alles zu finanzieren, ist die nächste Preiserhöhung schon beschlossen. Auch eine schöne Form, die Politikverdrossenheit amtlich zu fördern.

 

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Stets, Ihr
Reinhold Rombach
„Börsebius“

Unser Gastkommentator Reinhold Rombach ist einer der bekanntesten Börsenexperten Deutschlands und lebt schon lange in Rodenkirchen. Er beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit börsennotierten Gesellschaften, mit Aktien und Fonds, analysiert ihre Stärken und Schwächen. Seine Meinung über Geld&Börsen veröffentlichte er früher als Kolumnist in der Zeit (aber auch in der Wirtschaftswoche und der Süddeutschen Zeitung) und mehr als ein Vierteljahrhundert im Deutschen Ärzteblatt als „Börsebius“. Seine Fans nennen ihn aber auch den „Kostolany vom Rhein“ oder das „Kölsche Orakel“.  Rombach´s spannende wöchentliche Kolumnen und eine Aktien-TopTen-Masterliste erscheinen im Web unter www.derboersebius.de