Lebenshilfe NRW sieht für Freiwilligendienste schwarz

Beim Gespräch zu geplanten Haushaltskürzungen der Freiwilligendienste betont die Siegener Bundestagsabgeordnete Laura Kraft gegenüber Vertreter:innen der Lebenshilfe das Haushaltsrecht des Bundestages. Staatssekretär Sven Lehmann musste kurzfristig absagen. Die Lebenshilfe NRW hat Sorge um die Zukunft der Dienste.

Fachbereichsleiterin Inga Vollmer erklärt, welche Probleme die Kürzungen im Freiwilligendienst für die Einsatzstellen bringen werden.

Köln/Siegen. Die Lebenshilfe NRW hatte zum Gespräch über die geplanten Haushaltskürzungen bei den Freiwilligendiensten ins Inklusions-Café „Wo ist Tom?“ der Lebenshilfe Köln geladen. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, Sven Lehmann, und die Siegener Bundestagsabgeordnete Laura Kraft (beide Grüne) waren der Einladung gefolgt. Lehmann musste krankheitsbedingt kurzfristig absagen und wurde von Mitarbeiter Cyrill Ibn Salem vertreten.

Im Café absolviert Neele Mordhost seit einem Jahr ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), dass sie sogar verlängern möchte. Sie unterstützt das Café-Team, das aus Menschen mit und ohne Behinderung besteht, bei ihrer Arbeit. Das FSJ absolvierte sie, weil sie die Schule aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zur Stufe 13 absolvieren konnte. Das FSJ dient als praktischer Teil zur Anerkennung ihres Fachabiturs. „Es macht mir viel Spaß. Hier bin ich endlich angekommen. Ich war auf drei verschiedenen Gymnasien, war aber nie ich selbst. Hier fand ich zu mir selbst, kann einfach ich sein“, sagt sie. Mordhost kann sich vorstellen eine Gastronomie-Ausbildung im „Wo ist Tom?“ zu beginnen.

Café-Leiter Igor Buljovcic würde sich freuen, er betont, wie wichtig die Freiwilligen für den Betrieb des Cafés und für die Unterstützung des Teams sind. Er hat bei Mordhost eine positive Entwicklung wahrgenommen. „Neele ist eine tolle Persönlichkeit und während ihres Freiwilligendienstes hat sie sich trotz anfänglicher Schüchternheit und Zurückhaltung kontinuierlich weiterentwickelt.“

Neben Mordhost absolviert der Peruaner Edgar Ipushima seit Februar 2023 seinen Bundesfreiwilligendienst (BFD) im „Wo ist Tom?“, der durch die Städtepartnerschaft zwischen Köln und dem peruanischen Yarinacocha zustande kam.

Mordhosts Weg ist ein gutes Beispiel wie wichtig die Freiwilligendienste sind. Inga Vollmer, Fachbereichsleiterin Freiwilligendienste bei der Lebenshilfe Bildung NRW, sieht für die Zukunft der Freiwilligendienste bei den geplanten Haushaltskürzungen schwarz. „Jeder vierte Platz ist gefährdet. Es sind die kleinen Träger wie wir, die unter den Kürzungen am stärksten leiden werden. Derzeit betreuen wir in NRW 200 Freiwillige im FSJ und BFD. Werden es weniger, ist das nicht mehr rentabel. Die Rahmenbedingungen im Freiwilligendienst sind schon lange reformbedürftig. Selbst vor den angedachten Kürzungen gestaltete es sich nahezu unmöglich, kostendeckende Angebote zu machen, auch aufgrund der erheblichen Inflation. Die Fördermittel waren schon immer knapp bemessen.“

Dabei zehren die Einsatzstellen vom Freiwilligendienst, „rund 50% der Freiwilligen bleiben dem Sozialen Sektor später beruflich treu“, betont Vollmer. Eigentlich wünscht sie sich sogar mehr Aufmerksamkeit für die Freiwilligendienste, denn diese biete Schülerinnen und Schülern nach der Haupt- oder Realschule eine gute Möglichkeit der Orientierung. Dazu braucht es mehr Öffentlichkeitsarbeit, damit nicht nur Abiturient:innen aus Elternhäusern, die es sich leisten können, einen Freiwilligendienst absolvieren.

Bildungspolitikerin Kraft kann die Sorge der Lebenshilfe NRW nachvollziehen, betonte gleichzeitig den Willen zur Haushaltskonsolidierung der Ampel-Koalition in Berlin. „Wir sind in einer angespannten Haushaltslage, alle Resorts müssen Kürzungen vornehmen. Eigentlich hatten wir sogar vor, die Freiwilligendienste zu stärken.“

Kraft sieht in den Diensten einen maßgeblichen Beitrag zur Förderung der Demokratie und zur Gestaltung einer solidarischen Gesellschaft.

„Das Haushaltsrecht liegt beim Parlament. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Kürzungen so gering wie möglich und nicht so drastisch ausfallen werden, wie derzeit geplant“, sagt die Bildungspolitikerin aus Siegen. Ibn Salem betonte, er werde mit Sven Lehmann über die Anliegen der Lebenshilfe NRW sprechen und ihm darlegen, welche Bedeutung die Dienste für die übrige Arbeit der Lebenshilfe habe. „Sven Lehman ist die Bedeutung der Freiwilligendienste bewusst, was ich heute erfahren habe, werde ich ihm natürlich berichten. Er kommt immer gerne hier ins Café und weiß die Arbeit der Lebenshilfe zu schätzen.“

Info:
In Nordrhein-Westfalen gibt es insgesamt 23.000 Freiwillige, die ein Freiwilliges Soziales Jahr, Freiwilliges Ökologisches Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren. Die Lebenshilfe Bildung NRW als Tochter des Landesverbandes betreut rund 200 Einsatzstellen. Bundesweit sind es 100.000 besetzte Stellen im Freiwilligendienst. Die Bundesregierung plant derzeit für das Haushaltsjahr rund 80 Millionen Euro einzusparen, das sind Kürzungen von 24 Prozent, bei einer Gesamtsumme von 200 Millionen Euro, die das Bundesfamilienministerium einsparen muss. Für 2025 sind bereits nochmal 35 Millionen Euro an Kürzungen im Haushalt des Ministeriums für die Freiwilligendienste angekündigt.