Eigensinn – was wir von einem Dackel lernen können

Mein Dackel Balou hat mich rund 15 Jahre begleitet. Und ja, ich könnte unzählige Geschichten über seinen Eigensinn erzählen. Eine davon: Wir standen vor der Haustür, ich dachte nur: „Schnell raus, kleine Runde drehen, dann geht’s weiter.“ Balou dagegen hatte andere Pläne. Nase tief ins Gras, jeden Geruch genau prüfen und an Weitergehen war nicht zu denken. Ziehen half nichts, gutes Zureden auch nicht. Er folgte seiner eigenen, für mich unergründlichen Logik.

Da stand ich also, die Leine in der Hand, und merkte: Hier zieht keiner den anderen. Hier gewinnt der Eigensinn. So charmant (und manchmal anstrengend für mich) dieser Eigensinn war, er erzählte mir etwas über innere Stärke.

Unsere „Dackel-Momente“

Auch wir Menschen haben sie: Situationen, in denen wir uns nicht bewegen wollen, obwohl andere an uns ziehen. In meinen Begegnungen mit Angehörigen erlebe ich oft, dass sie Vater, Mutter oder Partner als „eigensinnig“ beschreiben, mal mit Humor, mal genervt.

Die zwei Seiten des Eigensinns

Eigensinn macht uns unverwechselbar. Er sorgt dafür, dass wir nicht jeder ‚Mode‘ hinterherlaufen, sondern bei uns selbst bleiben. Er ist Ausdruck von Autonomie, Selbstvertrauen und innerer Stärke. Menschen mit Eigensinn lassen sich nicht verbiegen, sie bewahren ihre Authentizität und vertreten klar ihre Haltung.

Doch manchmal blockiert uns der Eigensinn. Er kann Beziehungen strapazieren, Zeit kosten und für das Umfeld wie Sturheit oder Trotz wirken. Schnell entsteht das Bild von jemandem, der unflexibel oder schwierig ist. Genau dies berichten Angehörige oft und sagen: Er/Sie ist ganz schön schwierig, er/sie lässt sich nichts sagen. Wenn es nicht nach seinem/ihrem Kopf geht … usw.

Im philosophischen und pädagogischen Kontext hingegen gilt Eigensinn oft als wertvolle Fähigkeit: einen eigenen Standpunkt zu haben, Widerstand zu leisten, sich nicht einfach anzupassen. In der Psychologie spricht man sogar vom „gesunden Eigensinn“, nämlich der Fähigkeit, eigene Grenzen und Werte zu wahren.

Ein Beispiel aus dem Alltag

Eine 85-jährige Dame, die ihren alten, schweren Holzstuhl genau dort am Fenster stehen haben will, obwohl er jedes Mal den halben Raum blockiert. Auf den Hinweis der Familie: „Oma, wir könnten den Stuhl doch leichter machen, einen neuen kaufen …“ kommt nur ein mildes Lächeln und die Antwort: „Ich sitze seit 40 Jahren hier. Und wenn ich den Sonnenuntergang sehen will, dann sitze ich hier, egal, wie sperrig der Stuhl ist.“

Das ist Eigensinn im besten Sinne: die eigene Gewohnheit, die eigene kleine Welt zu verteidigen, auch wenn es für Außenstehende nicht immer praktisch und nachvollziehbar ist.

Mein persönliches Fazit

Ich mag Menschen mit Eigensinn. Sie zeigen mir, wie wichtig es ist, Haltung zu bewahren. Manchmal wünsche ich mir selbst sogar mehr davon, auch in meinem Umfeld.

Am Ende erinnert uns Eigensinn daran, dass wir nicht immer das tun müssen, was andere von uns erwarten. Ein bisschen Sturheit schützt uns davor, uns selbst zu verlieren.

Und wenn Ihnen das nächste Mal ein eigensinniger Mensch begegnet, denken Sie einfach: Vielleicht steckt in ihm nur ein kleiner Dackel, der sagt: „Ich weiß schon, wohin es geht.“ 🐕

➡️ Mein Tipp: Wer noch Lust auf Lektüre zum Thema hat, dem empfehle ich das Buch von Erich Schützendorf: Das Recht der Alten auf Eigensinn.

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Elke Strauß

Seit vielen Jahren begleite ich als Trainerin, Coach und Moderatorin Menschen in herausfordernden Arbeits- und Lebenssituationen. Mein Schwerpunkt liegt auf den Themen Pflege, Demenz, Unterstützung von Angehörigen sowie Coaching und der Entwicklung von Teams und Führungskräften.

Mein Anliegen ist es, wertvolle Impulse, praktische Tipps und inspirierende Gedanken mitzugeben – für mehr Orientierung, Entlastung und neue Perspektiven im Alltag.

Elke Strauß
Dipl. Pflegewirtin, Krankenschwester, Trainerin, Coach und Moderatorin

Mehr Infos: www.elke-strauss.de