Einsam oder allein? – Wie wir in Kontakt bleiben

Einsam oder allein? – Wie wir in Kontakt bleiben

In unserer vernetzten Welt fühlen sich viele Menschen einsamer als je zuvor. Dabei ist Alleinsein nicht dasselbe wie Einsamkeit. Alleinsein kann wohltuend und stärkend sein, Einsamkeit dagegen entsteht dort, wo Verständnis und Mitgefühl fehlen.

Im Herbst, wenn die Tage kürzer werden und die Dunkelheit länger bleibt, spüren viele die Einsamkeit besonders deutlich. Die stille, graue Jahreszeit hält uns den Spiegel vor, sie konfrontiert uns mit uns selbst und mit der Leere zwischen den Begegnungen. Doch sie birgt auch die Chance, zur Ruhe zu kommen, sich neu zu ordnen und die Stille als Raum für Innenschau und Selbstmitgefühl zu nutzen.

„Einsamkeit ist das belastende Gefühl, Geborgenheit, Zugehörigkeit und Verständnis zu vermissen. Sie kann kurzfristig, in bestimmten Lebenssituationen oder über einen langen Zeitraum auftreten. Vor allem lang anhaltende (chronische) Einsamkeit kann zu psychischen und körperlichen Gesundheitsproblemen führen. Kurzfristige Einsamkeit kann dazu motivieren, Kontakte zu vertiefen, wieder aufzunehmen oder neu zu knüpfen. Bei chronischer Einsamkeit wird dies hingegen immer schwieriger.“ (Zentrum für Qualität in der Pflege ZQP)

Einsamkeit ist ein sehr persönliches Empfinden, das andere Menschen nicht beurteilen können. Es gibt Menschen, die viele Kontakte haben und sich dennoch einsam fühlen, und andere, die mit wenigen sozialen Kontakten leben und sich dabei nicht einsam fühlen.

Ein Beispiel: Vor einiger Zeit meldete sich nach meinem Vortrag über Demenz ein älterer Herr zu Wort. Er erzählte, dass er schon immer gerne mit seiner Frau essen gegangen sei. Doch seit einiger Zeit leide sie an einer Demenz. Trotzdem gehe er weiterhin ab und zu mit ihr essen, zum einen, weil es für beide ein Genuss sei, und zum anderen, weil diese Ausflüge etwas Abwechslung in ihren Alltag bringen, vor allem für ihn selbst.

Die ständige Pflege und Betreuung seiner Frau führen dazu, dass er nur noch wenig Kontakte hat und kaum Aktivitäten außerhalb des Hauses unternehmen kann. Inzwischen kann seine Frau nicht mehr selbst essen, und er reicht ihr im Restaurant behutsam das Essen an. Anstatt auf Verständnis zu stoßen, erlebt er jedoch häufig irritierte oder gar abwertende Blicke, als fragten sich die Menschen, wie man unter solchen Umständen überhaupt noch essen gehen könne.

Irgendwann führt die Reaktion der Menschen vielleicht dazu, dass die beiden lieber zu Hause bleiben. Eine stille Entscheidung, die aus fehlender Achtsamkeit im Umfeld entsteht und aus Gemeinschaft Einsamkeit werden lässt.

Einsamkeit entsteht nicht nur aus inneren Gefühlen, sondern auch durch äußere Bedingungen, also durch die soziale und physische Umgebung, in der ein Mensch lebt:

  • Wenn jemand wenig soziale Kontakte in seinem Umfeld hat (z. B. durch Umzug, Alter, Krankheit, fehlende Gemeinschaftsangebote), kann Einsamkeit zunehmen.
  • Eine anonyme oder wenig unterstützende Umgebung (z. B. Großstadtleben ohne Nachbarschaftsnetzwerk) kann dazu führen, dass man sich trotz vieler Menschen isoliert fühlt.
  • Auch gesellschaftliche Faktoren wie Digitalisierung, Arbeitsdruck oder soziale Ungleichheit beeinflussen, wie leicht Menschen Beziehungen aufbauen und pflegen können.

Was wäre also, wenn wir anderen Menschen mit mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung begegnen würden, um der Einsamkeit entgegenzuwirken? Das fängt vielleicht schon bei der Nachbarin oder bei dem Ehepaar im Restaurant an …

💡 Wie wir aufmerksam und unterstützend sein können:

  • Mit offenen Augen und Herzen: Wahrnehmen, wer in unserer Umgebung Unterstützung oder einfach ein freundliches Wort braucht.
  • Wertschätzung zeigen: Ein Lächeln, ein kurzer Gruß, ein kleines Gespräch oder ein Zeichen der Ermutigung können viel bewirken.
  • Mitdenken statt wegsehen: Verständnis zeigen, wo Menschen mit Krankheit, Alter oder Einschränkungen ihren Alltag meistern.
  • Unterstützung anbieten: Praktische Hilfe oder einfach Zeit schenken, beides kann viel bedeuten.
  • Gemeinschaft pflegen: Orte und Momente schaffen, in denen Menschen sich angenommen fühlen, so, wie sie sind.

Ganz konkret könnte das sein:

  • Einmal in der Woche treffen sich einige Nachbarinnen und Nachbarn spontan im Innenhof oder vor dem Haus zu einer „Bankrunde“. Jeder bringt einen Stuhl, ein Getränk oder etwas zum Teilen mit.
  • Man hilft sich gegenseitig, etwa beim Blumengießen im Urlaub, oder fragt, ob beim Einkauf etwas mitgebracht werden kann.
  • Oder: Die Schaffung von offenen Begegnungsorten (z. B. einen Bouleplatz für alle, ein Kulturzentrum, das Gemeindehaus usw.).

So entsteht eine Gemeinschaft, ein Raum für Begegnung, in dem man sich kennt und aufeinander achtet.

➡️ Mein Tipp: Schon kleine Zeichen der Aufmerksamkeit im Alltag können dazu beitragen, dass sich Menschen weniger einsam fühlen!

Elke Strauß

Seit vielen Jahren begleite ich als Trainerin, Coach und Moderatorin Menschen in herausfordernden Arbeits- und Lebenssituationen. Mein Schwerpunkt liegt auf den Themen Pflege, Demenz, Unterstützung von Angehörigen sowie Coaching und der Entwicklung von Teams und Führungskräften.

Mein Anliegen ist es, wertvolle Impulse, praktische Tipps und inspirierende Gedanken mitzugeben – für mehr Orientierung, Entlastung und neue Perspektiven im Alltag.

Elke Strauß
Dipl. Pflegewirtin, Krankenschwester, Trainerin, Coach und Moderatorin

Mehr Infos: www.elke-strauss.de