Hochzeitstag mit Hindernissen
Eine persönliche „Rheingeschichte“ von Helmut Thielen
Schon montags stellte mir meine Frau, „die beste Ehefrau von allen“ wie ich sie in Anlehnung an einen verstorbenen Kollegen manchmal nenne, die Frage „Machen wir da was?“
Mir war sofort klar, was sie meinte, denn am Freitag dieser Woche hatten wir Hochzeitstag, den 45., wie ich wusste. „Na klar machen wir was: Wir fahren nach Unkel und kehren dort ins Lämmlein ein!“
Fahrten in die Traditions- und Weingaststätte „Zum Lämmlein“ heißen für uns seit vielen Jahren: mit der „16“ nach Bonn, runter zum Rhein, mit dem Schiff nach Unkel und dann ein schöne Flasche Wein und was leckeres zum Essen. Zurück dann mit dem Schiff wieder nach Bonn, dort einen Absacker nehmen und dann wieder mit der „16“ nach Rodenkirchen. Wir haben das früher mindestens einmal im Jahr mit drei älteren Ehepaaren gemacht und hatten immer viel Spaß. Seit ein paar Jahren finden diese Fahrten nicht mehr statt: zwei Ehepaare sind verstorben und das dritte „schwächelt“ im Moment was.
Am Freitag standen wir kurz vor elf auf dem Bahnsteig Richtung Bonn. In der Bundesstadt fuhren wir eine Station weiter als zum Hauptbahnhof, brauchten dann nur noch über eine Wiese an der Uni zum Rhein runter zu gehen. Allerdings hatten wir jetzt eine Stunde Zeit. Seit es die Neun-Euro-Fahrkarte gibt, fahren wir nicht mehr ohne Lektüre. Also suchten wir uns eine Bank im Schatten und holten die Bücher hervor.
Als die Zeit gekommen war, packte ich meinen Krimi wieder ein und schaute in Erwartung eines Schiffes der Köln-Düsseldorfer rheinabwärts. Es näherte sich allerdings keine „RheinEnergie“, sondern ein kleines Boot namens „Petersberg“.
Allerdings prangte am Heck eine Fahne „Im Auftrag der KD“. Wir warteten, bis die „Petersberg“ angelegt hatte und gingen dann an Bord. Als ich meinen Wunsch äußerte, nach Unkel fahren zu wollen, antwortete mir der Seemann „Wir fahren nur bis Königswinter“. „Wegen dem niedrigen Wasserstand“, fügte er hinzu. Ich antwortete: „ Vor vier Wochen war der Wasserstand noch einen Meter weniger, da bin ich auch bis Unkel gefahren!“ „Ja, aber wir fahren heute nur bis Königswinter!“ sprach er und damit war es amtlich.
Wir gingen aufs Oberdeck und setzten uns mitten in eine Gruppe aus dem Ruhrgebiet. „Wahrscheinlich ein Firmenausflug“, raunte meine Frau mir zu, denn es war vom Lehrling bis zum Rentner alles vertreten. Immerhin tranken die Menschen „tief aus dem Westen“ um die Mittagszeit nicht nur Bier, sondern auch diverse Schnäpse, und das in einer Geschwindigkeit, dass die Bedienung mit der Anlieferung kaum nachkam.
Nach eine guten Stunde gingen wir zusammen mit den Pott-Bewohnern als letzte von Bord. Sie schienen unschlüssig, was sie als nächstes machen sollten, und meine Frau meinte: „Die kommen nicht mehr zu Fuß auf den Drachenfels!“. Wir wussten, was wir wollten: die Straßenbahn hilft nicht weiter, die fährt von hier aus nach Bad Honnef, dann wären es immer noch sieben Kilometer zu Fuß. Also zur Bundesbahn.
Dort angekommen, hatten wir Glück: in weniger als zehn Minuten kam ein Regionalexpress, und nachdem wir für drei Stationen je eine Fahrkarte für 5.30 Euro gelöst hatten, trauerten wir unseren Neun-Euro-Tickets hinterher, die vor drei Tagen noch gegolten hatten.
In Unkel vergewisserten wir uns am Schiffsanleger, ob es noch ein Schiff nach Köln oder zumindest nach Bonn geben würde. „Gibt es“, wurde uns versichert, und so gingen wir schnellen Schrittes in die Pützgasse zum „Lämmlein“.
Der Chef Peter Braun begrüßte uns persönlich. Da wir wussten, dass man hier einen Tisch zugewiesen bekommt, warteten wir geduldig, aber er meinte nur: „Jetzt können Sie sich noch einen Tisch aussuchen, ab 17 Uhr ist das nicht mehr möglich!“ Wir nahmen an einem Zweiertisch mit viel Blumenschmuck Platz und suchten uns einen Wein aus. Wir entschieden uns für eine Flasche „Zwei von der Ley“, bestellten eine große Flasche Wasser dazu. „Essen?“ – Später!“ Herr Braun tauschte noch ein paar von den Blumen auf unsrem Tisch aus, dann überließ er uns unserem Wein.
Später teilten wir uns noch ein Käsebrett, waren beide gesättigt, Käse und Brot schmeckten wie der Wein sehr gut. Heute war in den Mittagsstunden nicht allzu viel los, wenn es voll ist und man kann mit anderen Leuten ins Gespräch kommen, ist es noch schöner. Aber auch heute hat es uns sehr gut gefallen, wir zahlten und machten uns auf den Weg zum Schiffsanleger.
An Schiffsanleger erfuhren wir, dass das frühe Schiff, das normalerweise bis nach Köln durchfährt, heute nicht fährt. Also vertrieben wir uns die Stunde Wartezeit mit einem Abstecher zum Unkeler Weinfest, das gerade begann, und gönnten uns noch ein Glas vom gleichen Wein, den wir auch im „Lämmlein“ getrunken hatten.
Wieder am Anleger entdecke meine Frau ein Schild, auf dem Stand, dass die Schiffe von KD an dieser Station nur nach Bedarf halten. Fahrgäste, die ihre Fahrscheine nicht hier am Schalter gelöst haben, werden gebeten, sich am Schalter zu melden. Also „meldete“ sich die beste Ehefrau von allen am Schalter, worauf eine Helferin eine weißblaue Fahne neben der KD-Fahne aufzog. Und als denn die „Godesia“ stromab gefahren kam, legte sie auch prompt an, und meine Frau und ich – als einzige Fahrgäste – zusteigen konnten. In der ersten Reihe auf dem Sonnendeck lag der Strom vor uns, links die Insel Nonnenwerth mit der leerstehenden Schule, voraus das Siebengebirge mit dem Drachenfels, der Drachenburg und dem Petersberg. Dazu Sonnenschein und strahlend blauer Himmel und meine Frau meinte nur: „Am liebsten würde ich jetzt hier drei Tage Urlaub machen!“
Wieder in Bonn gönnten wir uns noch in Bahnhofsnähe einen Krug bayerischen Oktoberfestbieres, bevor wir mit der „16“ wieder „auf heim an“ fuhren. Wirklich ein sehr schöner Tag, wenn auch nicht ganz so, wie von mir geplant. Helmut Thielen.
Wer in diesem Jahr noch Richtung Königswinter mit der KD fahren möchte, muss sich beeilen: der „Sommerfahrplan“ endet am 3. Oktober (Feiertag).
Danach bleibt nur noch das übliche Rundfahrt- und das Advent-Programm. Traditionell startet die „weiße Flotte“ wieder am Karfreitag in die neue Saison.